Eindrücke von der News Industry Mega-Conference in Orlando

Roger Dormeier

Die neuesten Trends und Entwicklungen aus Sicht der amerikanischen Regionalzeitungsverlage – Eindrücke von der News Industry Mega-Conference in Orlando, Florida, 10. – 12.04.2022.

Dieter Schwengler, Leiter Content- und Qualitätsmanagement der PMG war live dabei und berichtet hier:

“Streaming everything, focus on the core and automate the rest!” – Die neuesten Trends und Entwicklungen aus Sicht der amerikanischen Regionalzeitungsverlage

Auch in Orlando, gleich neben Disney Land und Co, war die Wiedersehensfreude groß: nach zwei Jahren mit kleineren virtuellen Veranstaltungen konnte America’s Newspapers, der führende Branchenverband der Lokal- und Regionalverlage in den USA Verleger und leitende Verlagsangestellte in persona zur Mega-Conference begrüßen. Partner und Unterstützer bei der Ausrichtung der Veranstaltung war die News Media Alliance, der Zusammenschluss von mehr als 2.000 Zeitungen in den USA und Kanada.

Etwa 400 Besucherinnen und Besucher hatten sich versammelt, um an zwei Tagen Erfahrungen auszutauschen und die ‚neue Normalität‘ nach Corona zu diskutieren.

Premiere in Orlando: PMG und X-CAGO stellen zentrale Zweitvermarktung von Content vor

Koos Hussem. Gründer und CEO von X-CAGO und Dieter Schwengler, Leiter Content- und Qualitätsmanagement der PMG Presse-Monitor erstmals gemeinsam auf der Mega-Conference.

Koos Hussem. Gründer und CEO von X-CAGO und Dieter Schwengler, Leiter Content- und Qualitätsmanagement der PMG Presse-Monitor erstmals gemeinsam auf der Mega-Conference. (Photo by Phelan M. Ebenhack)

 

Zum ersten Mal hatte sich die PMG zusammen mit X-CAGO aufgemacht, um mit den amerikanischen Verlagen zu diskutieren und das Modell der gemeinsamen Vermarktung im Bereich der Zweitverwertung vorzustellen. Vor dem Hintergrund der in den USA weit verbreiteten individuellen Vereinbarungen – mit all ihren Nachteilen und fehlenden Perspektiven gerade für kleinere Verlage – war das Interesse groß, mehr Details über die in Deutschland erfolgreich etablierte zentrale B2B-Lösung der Contentvermarktung zu erfahren.

Die Herausforderungen, die viele Vorträge und Sessions zum Thema hatten, klingen in unseren Ohren nur allzu vertraut:

  • Auch die amerikanischen Verlage leider unter den Kosten und der Unzuverlässigkeit der Papier-Beschaffung
  • Stetig steigende Kosten bei der Zustellung belasten die US-Verlage
  • Das Durchschnittsalter von Zeitungsleserinnen und lesern steigt auch jenseits des großen Teichs immer weiter an. Entsprechend gefragt waren Ideen, um junge Menschen für lokalen Content jenseits von TikTok und Instagram zu begeistern
  • Eng damit verbunden auch das Nachwuchs-Problem in Journalismus und Verlagswesen – die Medienmacher von morgen sind auch hier rar gesät.
  • Und natürllich generell die Folgen der Digitalisierung von Medien und Gesellschaft, verknüpft mit der Frage, wie man aus teils 180 Jahren Historie die richtigen Lehren für die nächsten Jahre zieht


Bei allen Herausforderungen: Zuversicht und gespannte Freude prägen die Begegnungen

Dennoch überwog insgesamt eine optimistische Stimmung – durchdrungen von freudiger Erwartung auf die kommenden Jahre. Die oft betonte, enge Verknüpfung mit den lokalen ‚Communities‘, und viele Ideen und Initiativen, die auf der Messe vorgestellt wurden, machten Mut für die Zukunft.

Tony Hunter, Chairman und CEO von McClatchy

Tony Hunter, Chairman und CEO von McClatchy, einem der größten Verlage im Bereich der regionalen Zeitungsmacher, brachte es kurz und prägnant  auf den Punkt: “Streamline everything, focus on the core and automate the rest!” (Photo by Phelan M. Ebenhack)

 

Kurz und prägnant brachte es Tony Hunter, der Chairman und CEO von McClatchy, einem der größten Verlage im Bereich der regionalen Zeitungsmacher auf den Punkt: “Streamline everything, focus on the core and automate the rest!”

Einige der wichtigsten Ansätze und Strategien, die vorgestellt wurden:

  • Das Thema Audio- und Videocontent zog sich durch viele Sessions und Gespräche: selbst kleinste lokale Verlage richten Studios ein, produzieren mit lokalen Influencern oder Persönlichkeiten Podcasts und Videoformate und vermarkten diese erfolgreich. Dabei müssen die Themen nicht zwingend tagesaktuell sein, aber im Verbreitungsgebiet eine Rolle spielen, wie z.B. eine Fitness-Video-Reihe auf Hawaii.
  • Viele Verlage nutzen ihr Know-How und die Technik, um auch für Unternehmen in der Region Audio- und Videocontent zu produzieren. Mit diesen Agenturleistungen für kleine und mittlere Unternehmen, die oft zu den wichtigsten Werbekunden zählen, stärken Verlage die Kundenbindung im Kerngeschäft und etablieren neue Dienstleistungen. Schließlich müssen sich auch kleine Unternehmen immer stärker mit gut aussehendem und klingenden Content für die audio-visuellen Medien abheben.
  • Insgesamt beurteilen viele Akteure neue Dienstleistungen, die im Kerngeschäft verankert sind, außerordentlich positiv und vielversprechend: Auf großes Interesse stieß beispielsweise eine neue Dienstleistung im Kreditkartenbereich, die ein Verlag initiiert hat. Damit lassen sich zum einen die Gebühren um Abogeschäft verringen (in den USA ist die Kreditkarte auch in diesem Bereich das meistgenutzte Mittel), zudem bietet der Verlag das System kleinen Unternehmen in der Region an.
  • Auch im Anzeigengeschäft haben sich einige Verlage weit über die Grenzen von Zeitung und Webseite erfolgreich hinausgewagt: Ein erfolgreicher Ansatz bietet in Zusammenarbeit mit den Filialen landesweiter Supermarktketten On-Screen-Werbeflächen in den Märkten an. Der Verlag liefert den Content, der die Aufmerksamkeit auf die Bildschirme lenkt und teilt die Erlöse der Anzeigen mit den Händlern, die die Screens aufstellen. Lokales Marketing und die sofortige Erfolgsmessung in den Märkten erschließen so neue Anzeigenkunden.
  • Ungewohntes Terrain im Bereich der Finanzierung: einige Verlage stemmen Neueinstellungen und Projekte durch die Zusammenarbeit mit Stiftungen oder durch die Community, also lokalen Einrichtungen oder der Gemeinde. Das Problem der Einflussnahme durch Bürgermeister und andere örtliche Autoritäten wiegt dabei nicht so schwer, wie ursprünglich befürchtet. Der für ein lokales Medium enge und gewollte Bezug zur Gemeinde und Anspruch, nah dran an Bürgerinnen und Bürger zu sein, wirkt hier ausgleichend.

Es wäre nicht Amerika, wären uns nicht auch, radikale, unorthodoxe Maßnahmen begegnet: So hat vor zwei Jahren die Arkansas Democrat-Gazette in der Woche auf digitale Ausgaben umgestellt und die Print-Ausgabe auf das Wochenende gelegt. Um langfristig keine Umsätze zu verlieren, bot man allen Abonnenten ein kostenloses iPad an, wenn sie weiter den vollen Abopreis bezahlen. Mit großem Erfolg: es gab kaum Abo-Kündigungen, der volle Preis wird auch für digitale Ausgaben gezahlt und liess sich sogar anheben. Schon heute sind die Investitionen für die iPads wieder eingespielt. Als Erfolgsgeheimnis gilt die intensive Betreuung der hauptsächlich älteren Kunden (vor allem Einrichtung des iPads und Erläuterung des Produkts zu Beginn). Erstaunlich: nicht einmal zehn iPads sind in den zwei Jahren seit Beginn des Projekts als verloren gemeldet worden. In Summe erwies sich das Projekt als voller Erfolg.

Aus der Taufe gehoben: “American Association against Pyjamas in Office”

Neben all den branchenspezifischen Themen wurde auch über die Rückkehr in die Büroräume diskutiert. Erste Erkenntnis: das neue Normal ist noch nicht gefunden. Als Vorteil sehen viele die deutlich größere Flexibilität bei der Rekrutierung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, insgesamt haben sich alle Maßnahmen bis hin zu Tests von unbegrenzt bezahltem Urlaub für jeden Mitarbeiter als positiv erwiesen.

Wie in unseren Breiten scheint auch in den USA der neue Dress-Code für das Büro noch nicht gefunden. Während einige für eine neue Lässigkeit im Umgang mit Jogginghose und co plädierten, kam es auf der Conference zur nicht ganz ernst gemeinten Gründung der „American Association against Pyjamas in Office“.

„And the Winner is …“ – ein Award darf nicht fehlen

Eine Konferenz, die etwas auf sich hält, muss auch einen Preis vergeben.

Mega-Innovation Award: Winner 2022 is BET.NOLA

Photo by Phelan M. Ebenhack

 

Sportwetten erfreuen sich in den USA derzeit größter Beliebtheit. Viele Staaten legalisieren diese nun, nachdem die bisherigen Verbote sehr strikt kontrolliert wurden. Die neue Rahmenbedingung aktiv nutzend hat der Regionalverlag in New Orleans zusammen mit einem Sportwettenanbieter in kürzester Zeit ein multimediales Angebot entwickelt: der Verlag liefert regionalen Sport-Content mit einem Fokus auf der Zielgruppe der Gelegenheitswetter, die auf regionale Mannschaften wettet und erhält Prämien für Kunden. Für die beeindruckende Umsetzung ging der Preis daher an bet.nola.com.

Mit diesen Eindrücken im Gepäck freuen wir uns auf die kommenden Konferenzen und Messen in Deutschland und hoffen natürlich auf mindestens ebenso viel Optimismus und Tatendrang in herausfordernden Zeiten.

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